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Rechercheinterview

Kampagnenthema: Kulturlandschaften
Story: Elisabeth Stiglmaier – Hopfenbotschafterin und Bier Sommelière
Gesprächspartner: Elisabeth Stiglmaier

Sie haben einen ungewöhnlichen Lebenslauf: von der Kinderkrankenschwester zur Hopfenbotschafterin. Wie kam es dazu?
Ich komme aus einer Zimmermeisterfamilie und hatte mit Landwirtschaft gar nichts zu tun. Deshalb habe ich Kinderkrankenschwester gelernt und in Landshut gearbeitet. Dort war ich das eine oder andere Mal beim Tanzen. Eines Abends kam so ein langer Mann daher und hat mich aufgefordert. Es hat gefunkt und nach einem Jahr haben wir vom Stand weg geheiratet. Es hat einfach gepasst. Für mich war als Außenstehende alles vollkommen fremd in der Hallertau: die neue Umgebung, das neue Land. Deshalb habe ich gedacht: Wenn ich voll in diesen Bauernhof von meinem Mann einsteige und nicht nur abends nach der Arbeit dorthin komme, dann wachs ich dort eini und bin dort auch dahoam. Nichts Halbes, sondern was Ganzes. Deshalb habe ich meinen Beruf aufgegeben. Und so entstand die Leidenschaft für Hopfen.

 

Was macht eine Hopfenbotschafterin und Bier Sommelière eigentlich genau?
Die Ausbildung zur Hopfenbotschafterin kam für mich unerwartet – da bin ich mehr oder weniger einidappt. Die Landwirtschaftsämter hatten Schulungen ausgeschrieben. Ich habe mich angemeldet, um mehr über Hopfen zu erfahren und zu lernen. So bin ich dazu gekommen. Alle Hopfenbotschafterinnen haben einen Bauernhof und bauen selbst an. Dieses Wissen geben wir an die Gäste weiter: Wir zeigen, wie die Hopfenproduktion abläuft, erklären die verschiedenen Biersorten und machen sie schmackhaft. Wenn die Leute moderat Bier trinken, dann steigt der Hopfenverbrauch und wir haben alle was davon. Aber es ist mehr als nur Imagepflege für das Anbaugebiet Hallertau, sondern auch ein zweites Standbein: Ich bereite den Gästen schöne Stunden auf unserem Hof, mache Ausflüge mit ihnen. Die Führungen werden in Geschichten verpackt, dass die Leute eine Freude daran haben. So zeige ich die Welt des Hopfens und vermittle alle Infos auf vergnügliche Art und Weise. Dazu gehört natürlich auch die Bierverkostung, bei der meine Gäste den Hopfen riechen und aus dem Gerstensaft rausschmecken. Ich mache die Leute auf die verschiedenen Hopfensorten, Aromen und Geschmäcker neugierig. Ich erkläre ihnen, wie sie Biere probieren, schmecken, genießen, verstehen und gut trinken – das ist meine Leidenschaft.

 

Wie kann ich meinen Geschmack denn schulen?
Bewusst essen und trinken, bewusst durch die Gegend gehen, bewusst riechen – zum Beispiel frische Erde. Wenn Gäste während der Erntezeit zu uns kommen, merken sie, wie der ganze Hof nach Hopfen duftet. Es geht darum, die eigene Nase bewusst einzusetzen, aber auch die Zunge und die Geschmackknospen. Wichtig sind auch Schulungen, viel zu lesen, sich weiterzubilden. Und all diese Eindrücke festzuhalten. Dazu gehört natürlich auch, verschiedene Biersorten zu probieren und sich über deren Eigenschaften und das Besondere zu informieren.

 

Wie wird Hopfen eigentlich angebaut und geerntet?
Hopfen ist eine mehrjährige Pflanze, die immer wiederkommt – bis zu 40 Jahre lang. Dabei gehört sie zu den europaweit am schnellsten wachsenden Pflanzen: Sie kann am Tag bis zu 30 Zentimeter wachsen. Es ist beeindruckend. Der Hopfen wird über Stecklinge vermehrt, also kurze Wurzelstöcke, die eingesetzt werden. Davon nehmen wir nur die drei schönsten Triebe – die anderen werden weggeschnitten. Danach heißt es hegen und pflegen: Jede einzelne Pflanze drehen wir um einen Aufleitdraht, dass sie bis zu sieben Meter hoch wachsen kann. Er wird jedes Jahr im Frühjahr neu gespannt. Geerntet wird dann im September, wenn der Hopfen reif ist. Mit dem Abreißgerät fahren wir den Hopfen Reihe für Reihe ein. An der Zupfmaschine trennen wir die Dolden von Blättern und Stilen. Danach wird der Hopfen getrocknet und verpackt. So wird er haltbar.

 

Was macht Ihren Jungbauernhof zum Erlebnishof? Was können Gäste bei Ihnen erleben?
Unsere Gäste erleben die Geschichte vom Hopfen hautnah – ich schicke sie auf eine Zeitreise. Ich erzähle ihnen, was der Hopfen für die Hallertau bedeutet, wie er sich im Laufe der Zeit entwickelt hat, wie die Landschaft entstanden ist und warum das Reinheitsgebot so wichtig ist. Dafür habe ich extra ein Bilderbuch entwickelt, mit dem wir immer rechten Spaß haben. Und natürlich gebe ich den Gästen als Erstes eine Hopfendolde in die Hand, die sie riechen, aufmachen und zusammendrücken. So haben sie das Aroma voll in der Nase – das sorgt immer für ein Aha-Erlebnis. Zusammen machen wir auch Wanderungen in der Hallertau und spazieren vier Stunden durch unsere schönen Landschaften. Dabei erzähle ich unterwegs Geschichten an bestimmten Orten und Ecken, an denen wir vorbeikommen. Natürlich gibt es auch eine Einkehr ins Wirtshaus. Dort gibt es eine ordentliche Brotzeit und wir lassen die Tradition aufleben, wenn wir alte Lieder zusammen singen.

 

Was unterscheidet Sie von anderen Hopfenanbauern in der Region? Was macht Sie einzigartig?
Jede Hopfenbotschafterin hat einen eigenen Stil und präsentiert ihre Geschichten anders. Das macht uns einzigartig. Ich komme bei den Leuten gut an, kann sie fesseln und abholen. Keine Ahnung warum – aber das kann ich: Jeder fühlt sich bei mir dahoam. Und wir stecken viel Liebe in unserer Ausstattung: Es gibt eine Hopfenprobierstube, eingerichtet mit handgeschreinerten Tischen und Stühlen, einem Ofen zum Einheizen, einem Beamer und vielen Büchern zum Nachlesen – für alle, die länger bei uns verweilen. Unsere Hopfenarena ist ein Sitzplatz direkt am Hofgarten. Bei schönem Wetter gibt es dort Bierprobe und Brotzeit. Häufig umarmen mich die Gäste am Ende und sagen, dass ihr Besuch bei mir das schönste Erlebnis ihrer Reise war. Das ist für mich das schönste Geschenk, das ich als Gastgeberin bekommen kann.

 

Ihr Jungbauerhof hat eine lange Geschichte: Sie bauen in der sechsten Generation Hopfen an. Wie wichtig ist Tradition für Sie?
Tradition ist sehr wichtig. Es geht darum zu wissen, was in der Vergangenheit war und zu schätzen, was die Leute früher geleistet haben. Das müssen wir den Jungen vermitteln. Deshalb halte ich es auch in meinen Geschichten fest. Ich hatte eine wunderbare Schwiegermutter, die mir die alten Geschichten aufgeschrieben hat. Sie lese und spiele ich den Gästen bei Führungen sogar vor: Früher gab es nach der mühsamen Hopfenzupf ein Abschlussessen für alle Helfer – das Hopfenmahl. Da haben die Bäuerinnen guad aufgekocht. Diese Tradition lasse ich auch für meine Gäste aufleben: Es gibt ein Essen und ich trete dazu im passenden, historischen Gewand auf.

 

In der Hallertau gibt es mehr als 60 verschiedene Hopfensorten. Wie behalten Sie da den Überblick?
Auf unseren 20 Hektar bauen wir die gängigsten Sorten an, das ist über Jahre gewachsen. Und solange wir diese zum guten Preis verkaufen, wechseln wir diese auch nicht. Natürlich gibt es derzeit den Trend mit „Special Flavour Hopfen“, die nach Mandarine und Litschi riechen. Dann bauen wir diesen Hopfen natürlich auch an. Wichtig ist aber, dass die Sorten handhabbar sind, resistent sind und nicht so viel Pflanzenschutz brauchen. Der Hopfenbauer baut an, was der Markt will und wo der Preis stimmt. Deshalb wird er nie seinen gesamten Bestand mit nur einer Sorte decken. Wir haben sechs Sorten im Anbau, die immer zum richtigen Zeitpunkt geerntet werden müssen. Das ist auch ein wichtiger Anhaltspunkt für die Sortenwahl: Die Aromasorten sind die frühen Sorten, wie eine Hallertauer Tradition, die es bereits seit 50 Jahren gibt und die immer noch gefragt ist. Dann haben wir unsere Bittersorten zum Pilsbrauen, die zum späteren Zeitpunkt geerntet werden – zum Beispiel den „Herkules“, der auch sehr gefragt ist. Die „Special Flavour Hops“ sind die Liebhabersorten mit fruchtiger Note, die für die Craft Brauereien interessant sind.

 

Wie kam Ihnen die Idee für den „Flavour Hop“ mit fruchtiger Note?
Die Sorten werden auf dem Markt nachgefragt, hauptsächlich von Craft Brauereien. Ich bin sehr froh über die fruchtigen, weinartigen Aromen, die für die Gäste sehr schön greifbar und erlebbar sind. Die extremen Unterschiede beim Hopfen können mit den Special Flavours wunderbar herausgeschmeckt werden.

 

Die Hallertau ist bekannt als größtes zusammenhängendes Hopfenanbaugebiet der Welt – und wichtig für die Craft Bier-Bewegung. Warum?
In der Hallertau liefern wir Qualität. Wir richten uns nach dem Markt und reagieren schnell. Mittlerweile sind wir sehr flexibel, bieten neue Sorten an und bedienen damit Nischen. Trotzdem sind wir nicht hauptsächlicher Produzent für Aroma- und Special-Flavour-Hopfen. Das macht nur etwa ein Drittel aus. Hauptsächlich bauen wir Bitterhopfen an.

 

Was halten Sie eigentlich von Craft Bier – Modeerscheinung oder die Zukunft des Biertrinkens?
Die Zukunft bleibt bei den traditionellen Biersorten, beim Hellen, beim Weißbier mit uralten Rezepten. Aber die neuen Craft Biere sind ein tolles Entdeckungsgetränk für die Jungen, um sich Bier auf neue Weise zu nähern. Die Craft Biere haben weniger Alkohol als scharfe Spirituosen. Und für die Hopfenbauern sind sie ein Segen, weil viel Hopfen in den Bieren ist: Im normalen Bier sind 40 bis 100 Gramm Hopfen im Hektoliter, im Craft Bier 500 bis zu einem Kilo. Ich mag Craft Biere sehr gern. Sie verlangen aber vom Biertrinker, dass sie die Geschichte dazu kennen. Deshalb gehört eine gute Aufklärung dazu, dass man dabei auch etwas über die Geschichte zum Bier erfährt – zum Beispiel auf dem Etikett nachlesen kann, welcher Hopfen mit welchen Aromen den Geschmack ausmacht. So wird der Verbraucher geschult. Damit sind Craft Biere ein wichtiger teil der Zukunft.

 

Welche Geschmacksrichtungen gibt es denn eigentlich?
Beim traditionellen, hellen Bier sind Hopfen und Malz im Gleichgewicht. Es hat eine blumige Hopfennote, aber einer der Geschmäcker dominiert. Beim Weißbier schmecken Sie die typischen Bananenaromen, die von der Hefe kommen. Aber auch hier können Sie den blumigen Hopfen rausschmecken. Pils hat gute Hopfennoten – hier schmecken Sie das Grasige heraus.

 

Was empfehlen Sie jemandem, der zum ersten Mal Bier trinkt – und jemandem, der Fan des Gerstensafts ist?
Wer zum ersten Mal ein Bier trinkt, dem würde ich ein schönes, mildes helles empfehlen, ausgewogen im Geschmack. Zum Beispiel von der Schlossbrauerei Au-Hallertau. Oder ein Hopfen-Cuvée der Schlossbrauerei Herrngiersdorf. Es wird mit vier Hallertauer Hopfensorten gebrauten und ist sehr lieblich im Geschmack. Was den traditionellen Biertrinker angeht, ist das ein ganz schwieriger Fall. Ihn möchte ich gar nicht von seinem Geschmack wegbringen. Aber natürlich biete ich auch hier etwas Neues und Tolles. Ich reiche dann ein Gose Bier – ein gesalzenes Bier mit Koriander. Gerade bei einer Blindverkostung, bei der sie nicht wissen, was drin ist, sind viele Gäste völlig positiv überrascht. Mir macht es große Freude, wenn Gäste bei mir etwas anderes probieren und erfahren, was man sich im Wirtshaus so nicht bestellen würde.

 

Welche typisch ostbayerischen Gerichte passen perfekt zu Bieren aus der Hallertau?
Ein schönes, dunkles Bier mit Malz passt perfekt zum Schweinebraten, zur Brotzeit, zum Leberkäs oder Pressack. Pils ist ideal für Fischgerichte, Weißbier harmoniert mit Sommersalaten. Besondere Edelbiere mit weinhaltigen Geschmack sind eine wunderbare Nachspeise – vor allem in Kombination mit einem Stückerl Schokolade oder einer Kugel Vanilleeis einfach zum Genießen.

 

Hopfen ist ja nicht nur eine der vier essentiellen Grundzutaten für Bier … Was steckt noch in dem grünen Gold?
Hopfen ist eine wichtige Arzneipflanze. Ich serviere unseren Gästen grundsätzlich einen Hopfentee. Die wertvollen Inhaltstoffe haben eine beruhigende Wirkung. Sie sind antibakteriell und töten Keime ab. So reinigen sie den ganzen Körper. Ich sage immer: Wie so eine Bürste, die durchrauscht und vom Mund bis zum Ausgang alles mal richtig durchbürstelt. Und der Tee hat eine blutzuckersenkende Wirkung. Die Forschung steht allerdings noch am Anfang, das dauert noch 30 bis 40 Jahre. Trotzdem wird Hopfen in der Medizin immer wichtiger als Heilpflanze.

 

Woran erkennen Sie guten Hopfen? Und was macht die Hopfendolde eigentlich so wertvoll?
Es gibt keinen guten oder schlechten Hopfen. Wenn Sie die Dolde in der Hand aufmachen, sehen Sie am Boden den gelben Blütenstaub, das sogenannte Lupulin. Diese Bitterstoffe enthalten Alpha-und Beta-Säuren. Das Drüsenpulver wird übrigens nur aus den weiblichen Hopfenpflanzen gewonnen, deshalb roden wir den männlichen Hopfen. Die Blüte darf nämlich nicht befruchtet werden, ansonsten gäbe es Samen in der Dolde. Weil sie Öl und Eiweiß enthalten, würde das Bier keinen Schaum mehr bilden. Das ist auch der Grund, warum bei uns in der Hallertau Wildhopfen gerodet wird – übrigens eine gesetzliche Bestimmung.

 

Sie lassen Ihre Gäste nicht nur in die Welt des Hopfens eintauchen, sondern zeigen Ihnen auch die schönsten Ecken in der Hallertau. Welche sind das denn?
In der Hallertau gibt es so viele schöne Ecken – zum Beispiel das Kloster Weltenburg am Donaudurchbruch, die Befreiungshalle Kelheim oder der Hundertwasser Turm in Abensberg. Meinen Gästen gebe ich gerne Tipps, wo sie schöne Tage verbringen können. Dazu gehört auch eine Stadtführung durch Landshut oder Regensburg. Sehr schön sind auch die Landerlebnisreisen zu Zielen in der Nähe, etwa dem Hollunderhof. Dort können Sie nochmal in eine andere Welt eintauchen. Nicht zu vergessen Brauereibesichtigungen.

 

Was machen Sie eigentlich in Ihrer Freizeit, wenn es mal nicht um Hopfen geht?
Puh eine schwierige Frage. Ich lese gerne Gartenzeitschriften, treffe mich mit Freunden – oder mache einfach mal gar nichts. Aber die meiste Zeit dreht sich wirklich alles um Hopfen. Deshalb erweitere ich in meiner freien Zeit gerne mein Wissen darüber, besuche zum Beispiel ein Biermuseum.

 

Als Hopfenbotschafterin leben Sie Ihre Leidenschaft – wovon träumen Sie noch?
Ich habe wirklich meinen Traumberuf gefunden. Hopfenbotschafterin zu sein ist ein tolles zweites Standbein, über das ich sehr glücklich bin. Ich kann herzeigen, was wir arbeiten und bekomme dafür Anerkennung. Ja, träumen darf man viel: Ich würde gerne das Zitherspiel ausbauen und mein Englisch verbessern. Und wissen, das irgendwer mal weiter macht mit dem, was ich aufgebaut habe, das liegt mir am Herzen. Dann ist es schön, einfach mal fertig zu sein und zu sagen: Jetzt ist guad, alles ist gerichtet, ist so, passt so.